Maren Donix
‚Peter im Tierpark‘ wurde erstmals zur V. Deutschen Kunstausstellung 1962 gezeigt und vom Staatsrat der DDR noch im selben Jahr angekauft. Unmittelbar nach der Ausstellung wurde es in die Sammlung der Gemäldegalerie Neue Meister als Dauerleihgabe gegeben, wo es sich noch heute befindet. Die Rezeptionsgeschichte von ‚Peter im Tierpark‘ ist von der hohen Popularität in der DDR geprägt, welche es primär durch seine Beliebtheit bei den Besuchern[1] und sekundär durch eine Vielzahl an Reproduktionen[2] erlangte. Da das Bild gerahmt ist, ist die Signatur zwar noch deutlich, die Datierung aber nur fragmentarisch zu erkennen. Der Künstler selbst datiert die Entstehung des Werkes in einem Brief vom 10.01.2009[3] auf das Jahr 1961/62.[4]
‚Peter im Tierpark‘ zeigt den Sohn des Künstlers im Alter von etwa vier Jahren[5] als Halbfigur in Vorderansicht. Der Junge hat seine Hände in die Jacke gesteckt und blickt dem Betrachter entgegen. Peter steht in einer schneebedeckten Umgebung im Wald. Sein Gesicht wird von einer Ohrenklappenmütze gerahmt. Er ist zentral ins Bild gerückt und füllt den Vordergrund des Werkes nahezu aus. Die Komposition des Werkes ist symmetrisch und stabil. Die maßgebende senkrechte Linie wird durch die Mantelkante und über die Mund-Nasen-Linie des Gesichtes betont. In der Darstellung von vier winterlich kahlen Bäumen und eines Pfaus mit erhobenem Hals wiederholt sich dieses Kompositionsmerkmal. Die Bäume rahmen die Darstellung des Kindes. Die Tiere im Hintergrund, zwei Wildschweine und ein Kamel, sind in ihrer Formensprache ebenso reduziert wie der Pfau und wirken schablonenhaft ausgeschnitten. Die Flächigkeit und Signethaftigkeit in der Darstellung der Tiere korrespondiert mit der Gesamtauffassung von Raum im Werk, derauf ein Minimum beschränkt ist. Hinter dem Jungen, der ganz nah an den Betrachter herangerückt ist, baut sich der Mittel- und Hintergrund wie eine flächige Tapete auf. Alle Formelemente scheinen in eine Ebene gesetzt zu sein und haben wenig Spielraum und Bewegungsfreiheit. Der Künstler selbst urteilt, dass „das Übereinanderstehen der Tiere [dem Bild] in diesem Fall etwas Naives [verleiht], das so ganz dem Kindlichen entspricht.“[6] Auch die Plastizität des Kinderkörpers ist stark reduziert. Die Schattierungen sind zurückgenommen und konzentrieren sich in dunklen Linien, durch welche einzelne Körperteile umschlossen werden. Die höchste Plastizität des Bildes wird im Gesicht des Kindes erreicht, welches damit in einem Kontrast zur Gestaltung seiner Umgebung steht. Es finden sich in diesem Bereich mit einem kleinen Pinsel aufgetragene Farbtupfen, die das Gesicht auch im haptischen Sinne modellieren. Die Augen Peters sind groß, dunkel, ruhig und mit runder Iris dargestellt, durch deren braune Farbe sich die schwarze Pupille kaum abhebt. Erscheint die gesamte Farbigkeit des Bildes eher in einem kühlen Ton, muss diese Aussage, in Bezug auf die Gestaltung des Gesichtes, differenziert werden. Ein warmer, gedeckter Rotton erscheint in den Wangen und Lippen Peters und ist nur im Gesicht des Kindes in dieser hohen Konzentration zu finden.
Insgesamt wirkt die Farbigkeit des Gemäldes reduziert und lebt von einem Hell-Dunkel Kontrast. Die kühlen Farbtöne im Bild überwiegen und reichen von Cremefarben und Grau über verschiedene Blau- und Grüntöne bis hin zu Schwarz. Die Tönung des cremefarbenen Schnees wird zur Grundfarbigkeit des Bildes, die in Verbindung mit den kahlen Bäumen die winterliche Situation kennzeichnet. Im Kontrast zur Helligkeit des Schnees stehen die Stämme der Bäume, die sich scherenschnittartig vom Farbton des Untergrundes abheben. Das Blau im Mantel Peters ist kühl und satt, nicht leuchtend, eher matt und stumpf. An beleuchteten Stellen, wie der Mantelkante, ist über die blaue Grundfarbe ein hellerer Farbton gelegt worden; an tiefer liegenden Stellen, wie den Falten in der Armbeuge, eine schwarze Lasur. Insgesamt überwiegt dennoch, durch homogenen Farbauftrag, der flächige Eindruck der Gestaltung. Nuancen des warmen Rottons, welche das Gesicht Petersals ein lebendiges kennzeichnen, lassen sich auch in seinen Handschuhen und in der Farbgebung der Misteln finden und vermitteln so zwischen den Bildelementen. Harald Hakenbeck hat die Farben des Bildes behutsam austariert.
Nicht zuletzt durch diese Farbgestaltung wirkt das Bild auf den Betrachter ruhig und ausgewogen. Alle Bewegungen scheinen für einen Moment zur Ruhe gekommen zu sein. Peterschaut den Betrachter offen und klar an. Sein Blick ist ruhig, nicht forsch, sondern von tiefem Ernst. Peterist geschützt durch seine dichte, warme Kleidung, er ist gehalten durch eine Umgebung, die ihn stabilisiert. Das schlichte Motiv ist das Kind in seinem Umfeld. Der Betrachter schaut ihm nicht beim Spielen zu, sondern sieht ihn nur an. Die Wirkung des Bildes ist durch die fehlende Eigenaktivität des Kindes geprägt. Bevor Peter in den Tierpark ging, ist er warm eingepackt worden, damit er nicht friert. Im Tierpark hat er einen klar abgegrenzten Handlungsspielraum, der durch die Baumstämme auf der rechten und linken Seite des Bildes definiert ist.
Mit dieser Art der direkten Ansprache an den Betrachter ist die intime Wirkung des Werkes zu begründen. Wenn auch in kleinem Format sieht sich der Rezipient unmittelbar mit dem Gesicht eines Kindes konfrontiert, das ihn aus großen Augen unvermittelt anblickt. Es ist aber kein neugieriger Blick, sondern einer, der existentielle Fragen stellt, die Kinder meist offener und klarer formulieren können als Erwachsene. Die Intensität der Zusammenkunft von Betrachter und Werk wird durch die körperliche Präsenz, mit der Peterin Erscheinung tritt, erhöht. Diese Darstellungsweise lässt das Kind trotz des kleinen Formates monumental erscheinen. Der Rezipient wird so mit der gesamten Erscheinung des Kindes in eindringlicher und stiller Weise konfrontiert. Der Künstler thematisiert in ‚Peter im Tierpark‘ ernsthafte Sinnfragen in Bezug auf die menschliche Existenz, die ebenso wie Freude und Ausgelassenheit wesentliche Elemente von Kindheit sind.
[1] Vgl. Lindner, Bernd. Verstellter, offener Blick. Eine Rezeptionsgeschichte bildender Kunst im Osten Deutschlands 1945-1995. Köln. 1998.
[2] Das Bild wurde beispielsweise als Briefmarke veröffentlicht, vgl. Michel. Deutschland-Katalog. München 1996. S. 387.
[3] Harald Hakenbeck im Brief vom 10.01.2009 an die Autorin.
[4] Motivische und gestalterische Parallelen zu einem Holzschnitt von Werner Schinko gaben den Anlass, beide Künstler zur Entstehung des Bildes zu befragen. Die Annahme einer Zusammenarbeit beider Künstler wurde dabei nicht bestätigt, beide verneinen einen engeren Kontakt. Schinko spricht in Bezug auf das Bild seines „geschätzten Kollegen Hakenbeck“ von einer „fatalen Ähnlichkeit“ (Briefwechsel der Autorin mit den Künstlern im Januar 2009). Vgl. Donix, Maren: Intimität als Topos in der Malerei der DDR. Werke der 50er und 60er Jahre in der Galerie Neue Meister der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden. 2010. (unveröffentlichte Magisterarbeit)..
[5] Aufgrund des Titels im Folgenden ‚Peter‘ genannt.
[6] Hakenbeck in einem Zitat nach Lang, Lothar: Harald Hakenbeck. Berlin 1963, S. 32.
Zitierempfehlung: Maren Donix: Bilddossier zu "Peter im Tierpark" (1961/1962) von Harald Hakenbeck, August 2012. In: Kunst in der DDR, URL: <https://bildatlas-ddr-kunst.de/knowledge/638>