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Rainer Herold, Shdanowitschi (1968)

© VG Bild-Kunst, Bonn 2012

Geb. am 11.6.1940 in Leipzig. 1961-66 Studium an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig. 1971 bis 1974 dort Aspirant. Seit 1975 Meisterschüler der Akademie der Künste der DDR bei W. Klemke.

Illustrationsgrafik und von der Literatur angeregte Druckgrafik stehen dem Umfang nach im bisherigen Werk Rainer Herolds noch vor der Malerei. Erlebnisse, die für sein Schaffen unabdingbar sind, sucht er in der unmittelbar gegebenen, sichtbaren Natur ebenso wie in Erzählungen und Gedichten, die für ihn eine andere, eigene Natur bedeuten. Seine Neigung gilt vornehmlich der russischsprachigen und jiddischen Literatur, die ihn wiederholt zu Illustrationen inspirierte, beginnend 1966 mit Blättern zu Isaak Babel und Dostojewski.

Die schulischen Einflüsse wie auch die Handschrift seines Lehrers B. Heisig wirkten kaum nach. Bald nach Beendigung des Studiums fand er seinen eigenen Stil, der anfangs von den alten Meistern, besonders Bruegel dem Älteren, angeregt war. Vielmehr wurde aber seine Sehweise von künstlerischen Techniken geprägt, die er sich in fortwährendem Experimentieren erschließt. Neben der alten Lasurmalerei sind es vor allem farbige Drucktechniken, die ihn reizen, weil er durch die Vervielfältigung viele Menschen erreichen kann. Seine Versuche mit dem Farb-Siebdruck führten ihn 1970 zu großformiger, sinnbildhafter und mehr dekorativer Gestaltung.

Eines der ersten Bilder, die Herold nach dem Studium malte, ist „Shdanowitschi“. Er zeigte es 1969 auf der 8. Bezirkskunstausstellung neben vier weiteren seiner kleinen, erzählend-poetischen Tafelbilder nach russischen Motiven, zusammengefaßt unter dem Titel „Erinnerungen aus der RSFSR“. Mit anderen Absolventen hielt sich Herold im Kolchos von Shdanowitschi bei Minsk auf, wo sie einen Monat als Bauarbeiter tätig waren. Danach konnten sie Studienfahrten unternehmen. Herolds Seherlebnisse waren deshalb so intensiv, weil er durch umfangreiche Lektüre schon vorbereitet war. Die Reize der Landschaft und die Menschen mit ihrer Eigenart, ihren Sitten und Gebräuchen wurden ihm rasch vertraut. Der Künstler, der seither etwa zwanzigmal in der SU war, machte sich kleine zeichnerische Notizen; die Bilder malte er nach seiner Rückkehr. Es sind Kombinationen von Gesehenem mit in Erinnerung gebliebenen Stimmungen. Das Bild „Shdanowitschi“ schildert eine an sich anspruchslose Begebenheit, sagt auf engem Raum verdichtet aber Typisches aus. Da hält einer dieser Omnibusse, welche für den Fremden so etwas wie ein Gesicht haben. Ein Kadett mit Koffer läuft winkend zu ihm hin, will ihn nicht verpassen. Die Straße überquert, in einen knöchellangen Mantel gehüllt und vom Hund begleitet, die Gestalt des schweigsamen Schäfers, dem der Künstler täglich begegnete. Drei Bäume, die mit ihren quellenden Wuchsformen bis zum oberen Bildrand reichen, markieren die Haltestelle. Davor steht eine jener Denkmalsplastiken, die man allerorten findet. Die weiße weibliche Figur mit dem Kind auf dem Arm, symbolisiert, eine Taube fliegen lassend, den Frieden. Hochspannungsmasten und die Kondensstreifen am Himmel weisen auf den technischen Fortschritt hin. Hinter dem versponnenen Winkel an der Landstraße dehnt sich die Weite russischer Landschaft. Blau, die Farbe der Ferne, ist Herolds bevorzugte Farbe, danach Grün, das hier in kühleren und wärmeren Lasuren Gras, Feld und Bäume modelliert. Die Schatten sind Ultramarin blau; kleine karminrote Akzente setzen die Blumen rechts sowie Mützenrand und Schulterstücke des Kadetten. Große vereinfachte, gerundete Formen kennzeichnen die malerische Sprache Herolds, die von seinem Interesse für Plastik herkommt.

Quelle: Henry Schumann: Rainer Herold, Shdanowitschi (1968). In: Malerei der DDR. Kataloge der Gemäldegalerie, Heft 5, hrsg. v. Museum der bildenden Künste. Leipzig 1977, S. 74.

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