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Diana Kopka

Hans Jüchser, Selbstbildnis (1950)

 

Die Kunstsammlungen Chemnitz besitzen vier Werke aus mehreren Schaffensphasen des Künstlers: Mädchen im roten Korbsessel, 1925, Selbstbildnis, 1950, Logger auf der Werft, 1958 und Fischerstraße Wolgast, 1959. Die beiden maritimen Gemälde, aber auch das Selbstbildnis, wurden 1960 in einer Ausstellung in der Städtischen Kunstsammlung Karl-Marx-Stadt (Kunstsammlungen Chemnitz) gezeigt, sie fand zu Ehren des Künstlers statt, denn ein Jahr zuvor hat er seinen 65. Geburtstag begangen.[1] Alle Werke Jüchser im Bestand der Kunstsammlungen Chemnitz wurden zu DDR Zeiten angekauft.

Hans Jüchser wird 1894 in Chemnitz geboren. Er absolviert zunächst auf Wunsch des Vaters eine Ausbildung als Zeichenlehrer, wird dann zum Kriegsdienst in den Ersten Weltkrieg eingezogen und nimmt in den Folgejahren ein Studium an der Akademie der Bildenden Künste in Dresden auf. Wichtige Lehrer sind Otto Hettner und Ludwig von Hoffmann, Jüchser setzt sich mit Werken von Paul Cézanne und Hans von Marées auseinander.[2]

Auf Porträts legt Jüchser schon während des Studiums einen Schwerpunkt. Bereits in seinem Frühwerk Mädchen im roten Korbsessel (Kunstsammlungen Chemnitz) zeigt er sein technisches Können im Hinblick auf den Einsatz von Licht und Schatten im Gesicht. Jüchser trägt bereits hier die Farbe scheinbar rasch, alla prima und zuteilen fleckig auf. Darin kann ein Verweis auf die Einbindung in die Dresdner Schule, zu der auch Wilhelm Lachnit und Theodor Rosenhauer gehören, vermerkt werden.[3] Die Freundschaft zu Wilhelm Lachnit schafft eine Parallelität in der vergleichbaren zurückgezogenen Motivwelt in den Werken der beiden Künstler.

Bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkrieges beteiligt sich Jüchser lebhaft an Ausstellungen im Stadtraum, er wird Mitglied der „Künstlervereinigung Dresden“, tritt der ASSO (Assoziation revolutionärer bildender Künstler) bei und engagiert sich auch in der „Dresdner Sezession 1932“.[4] Jüchsers Selbstbildnis aus dem Jahre 1950 zeigt einen Mann, der sich nicht als Maler identifizieren lässt. Er malt das Selbstbildnis durch die Betrachtung des eigenen Ichs im Spiegel und zentriert sich im Format. Eine blaue Tür mit Vorhang ist hinter ihm geöffnet und gewährt den Blick in einen im Dunkel liegenden Bereich. Die Kleidung des Mannes deutet auf ein Hereinkommen hin: Jackett, Schal und Fellmütze. Auffällig und wiederkehrend in Selbstbildnissen ist ein rotes Etui, es steckt in der linken Brusttasche des Jacketts. Jüchser kehrt 1949 aus der sowjetischen Kriegsgefangenschaft zurück, zusammen mit seinem Wehrdienst im Zweiten Weltkrieg ist er fast zehn Jahre aus der eigentlichen künstlerischen Arbeit herausgerissen und getrennt von Frau Paula und Sohn Jürgen. Fragend, unsicher, fast schon klagend richtet der Künstler den Blick auf den Betrachter. Sein Gesicht zeigt er im Dreiviertelprofil, verschattet um die Augen, und tiefe Falten, fast Furchen, prägen die Stirn des 56-jährigen. Ungelenk hat er seinen rechten Arm angewinkelt, die Proportionen sind verändert. Die Malhand ist nicht sichtbar. An der Wand rechts hinten hängt ein Bild von Franz Marc. Jüchser zitiert das Aquarell Klagendes Pferd (Nürtingen, Sammlung Domnick) aus dem Jahr 1913. Bezüge zwischen Ersten und Zweiten Weltkrieg werden aufgebaut, Franz Marc fällt im Ersten Weltkrieg. Doch Jüchser ist ein zweites Mal heimgekehrt, er hat auch diesen Krieg überlebt. Rauchend steht er im Bildraum, Parallelen lassen sich in der Handhaltung zu Selbstbildnissen von Max Beckmann aufbauen. Jüchser trägt die Farben nicht rein auf, nimmt die Schärfe aus den Konturen heraus und schafft damit eine freskohafte Oberfläche, die er im Schaffen mehr und mehr perfektioniert hat. Der Lesart des Bildes folgend, lässt sich resümierend das biblische Gleichnis des Verlorenen Sohnes anführen. In die Werkgruppe der biblischen Szenen[5] Jüchsers kann auch das Selbstbildnis gestellt werden. Möglicherweise zurückgehend auf das 1945 erneuerte Bekenntnis zum christlichen Glauben kommt es immer wieder zu thematischen Darstellungen biblischer Motive.

Jüchser rezipiert im Spätwerk stärker die Klassiker der europäischen Moderne (Henri Matisse, Pablo Picasso, Marc Chagall) und öffnet sich, als dass er dem Anspruch der Kulturpolitik der DDR folgt.

Anmerkungen

[1] Hans Jüchser. Dresden – Gemälde – Aquarelle – Zeichnungen – Graphik. Ausst.-Kat. Städtische Kunstsammlung Karl-Marx-Stadt, Karl-Marx-Stadt 1960.

[2] Porstmann, Gisbert: Der Maler Hans Jüchser. Veröff. in: Hans Jüchser. Farbe als absolute Kraft. Hrsg. von Gisbert Porstman / Linda Karohl, Städtische Galerie Dresden 2010. S. 9.

[3] Schmidt, Diether: Hans Jüchser. Berlin 1978. S. 16.

[4] Hans Jüchser. Dresden 2010. Wie Anm. 2. S. 126-127.

[5] Karohl, Linda: Biblische Szenen im malerischen Werk von Hans Jüchser. Veröff. in: Hans Jüchser. Dresden 2010. Wie Anm. 2. S. 20. Linda Karohl weist nach, dass sich das biblische Gleichnis „Heimkehr des verlorenen Sohnes“ als Bildthema thematisch bereits 1950 bei Jüchser abzeichnet, so in der Ölstudie Der Heimkehrer (Privatsammlung Jürgen Jüchser) in der Karohl auch die Akzentuierung der Kriegsheimkehrer jener Jahre legt.

Literatur

Löffler, Fritz: Hans Jüchser. Bildnis eines Künstlers. Berlin 1964.

Schmidt, Diether: Hans Jüchser. Berlin 1978.

Ausstellungen

Hans Jüchser. Dresden – Gemälde – Aquarelle – Zeichnungen – Graphik. Ausst.-Kat. Städtische Kunstsammlung Karl-Marx-Stadt, Karl-Marx-Stadt 1960.

Hans Jüchser. Farbe als absolute Kraft. Hrsg. von Gisbert Porstman / Linda Karohl, Städtische Galerie Dresden 2010.

Zitierempfehlung: Diana Kopka: Bilddossier zu "Selbstbildnis" (1950) von Hans Jüchser, August 2012. In: Kunst in der DDR, URL: <https://bildatlas-ddr-kunst.de/knowledge/631>

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