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Geb. am 22.5.1909 in Meißen, gest. am 10.4.1 970 in Dresden. 1929-33 Studium an der Akademie der Bildenden Künste in Dresden bei R. Müller und O. Dix. 1928 Mitglied der KPD. 1930 Mitglied der A'SSO. 1949 Dozent. 1951 Professor und bis 1959 sowie 1964-65 Rektor der Dresdener Hochschule für bildende Künste.
Das Frühwerk Rudolf Berganders steht in der Gestaltungsweise noch unter dem Einfluß seines Lehrers Otto Dix. Eines der ersten gültigen Bilder Berganders, das „Mädchen im blauen Kleid“ (Dresden, Galerie Neue Meister) von 1931 zeigt dies deutlich.
In seinem Bild „Arbeiterfrau mit Kind“ (1932) kündigt sich eine neue Sicht der Arbeiterklasse an. Es ist nicht mehr die nur leidende, sondern auch daseinsbejahende und zukunftsträchtige Klasse, wie es der Haltung der ASSO entsprach, die sich besonders in Dresden eng mit dem politischen Kampf der KPD verband. Um 1936 gab Bergander die von Dix vermittelte, zeichnerisch scharf formulierende Lasurmalerei auf, und seine Handschrift wurde malerisch weich und reicher in den farbigen Tonstufen, seinem Wesen und der Dresdener Maltradition entsprechend.
Nach dem Kriege war es Berganders Bestreben, mit seiner Kunst aktiv in den Prozeß der Herausbildung eines neuen Menschenbildes, wie es der sozialistischen Gesellschaft gemäß ist, einzugreifen. Seine malerische Auffassung behielt er bei, trotz gewisser naturalistischer Tendenzen in den fünfziger Jahren. Doch nicht nur deshalb wurde sein „Hausfriedenskomitee“ von 1952 ein Markierungspunkt in der Entwicklung der Malerei der DDR, vielmehr griff er hier ein Thema auf, welches gleichsam in der Luft lag und sich dann zu einem bestimmten Bildtyp auch bei anderen Künstlern entwickelte. Es ist das Thema des Umdenkens, des geistigen Ringens um weltanschauliche Klarheit, dargestellt am Beispiel der um einen Tisch herum sitzenden Gruppe Diskutierender. Dabei werden die Menschen ihrer gesellschaftlichen Mitverantwortung und der daraus sich ergebenden Bedeutung entsprechend groß und die Bildfläche füllend dargestellt.
Bergander hat dieses Thema Diskussion, woran sich auch das später aufkommende Thema der Parteidiskussion formal anlehnt, noch mehrmals aufgegriffen, beschränkt auf den Dialog zweier junger Männer in dem Bild „Das Argument“. Wie auch bei seinen oft lyrisch-verhaltenen Gruppendarstellungen von Kindern und Jugendlichen in dieser Zeit sind hier die Beziehungen der Menschen zueinander im Gestischen und Mimischen psychologisch glaubhaft wiedergegeben: das eindringliche Argumentieren des rechts Sitzenden und der nachdenkliche Ausdruck des Zuhörenden, der die Wange auf die Hand lehnt. Frontal ist der eine gegeben, im sogenannten verlorenen Profil der andere, beide wie meist auf den Diskussionsbildern halbfigurig. Das Bild zeigt die volle Entfaltung der malerischen Sprache Berganders, die fein abgestimmte Farbigkeit großformiger, vereinfachender und konturbetonter Flächen. Nicht zuletzt hatte der Italienaufenthalt dazu beigetragen. Der Farbauftrag ist locker und pastos. Vor dem hellen Königsblau der Wand steht als kräftiger und warmer Farbton das Gelboliv des Westovers, welchen die linke Figur über einem weißen Hemd trägt. Damit und mit dem olivgrünen Tisch korrespondiert das kobaltblaue Hemd des Argumentierenden. Als kleinere Akzente wirken das Violett und das kühle Grün der Hefte auf dem Tisch. Andere, gedämpfte Farbtöne ordnen sich harmonisch unter.
Quelle: Henry Schumann: Rudolf Bergander, Das Argument (1961). In: Malerei der DDR. Kataloge der Gemäldegalerie, Heft 5, hrsg. v. Museum der bildenden Künste. Leipzig 1977, S. 26.