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Lilian Groß

Hermann Bruse, Der neue Eigentümer (1951)

Ein Mann mittleren Alters, in dunklem Hemd und die Ärmel hochgekrempelt, schaut den Betrachter an. Er hält ein nicht näher bestimmbares Werkzeug in seiner rechten Hand – ein Mann der Tat. Links im Hintergrund ist ein großes Förderwerk zu sehen, rechts rauchen die Schornsteine.In der Bildmitte lenkt ein angedeutetes weißes Haus den Blick des Betrachters auf die monumentale Figur im Vordergrund, die kleinteilige Darstellung des Hintergrundes unterstreicht zusätzlich die Stabilität des Mannes.

Hermann Bruses ‚Der neue Eigentümer‘ ist ein typisches Aufbaubild der 1950er Jahre. Die Enttrümmerung und der Neuanfang der ‚jungen Republik‘ waren wichtige Themen in dieser Zeit,gekennzeichnet durch eine meist dynamische Körperhaltung der Protagonisten[1] – bei diesem Gemälde an den Nebenfiguren ablesbar. Der Maler sollte

„[…] das Bild des Eigentümers aufrichten, in dessen Haltung der praktisch notwendige Arbeitselan und das politisch notwendige Herrschaftsbewußtsein vereint sind.“[2]

Der „kraftvoll monumentale Aufbauheld“[3] stand in jenen Jahren im Vordergrund, auch die „kleinen Helden der Arbeit“[4] galt es zu porträtieren, denn sie bauten die junge Republik auf, gaben ihr ein ‚neues Antlitz‘[5].

Bruses Œuvre war geprägt von seinem politischen Engagement[6], insbesondere gegen den Nationalsozialismus. Der autodidaktische Maler experimentierte viel in seinen Anfangsjahren, schuf v.a. kubistische Werke, später expressiv düstere Bilder wie ‚Ecce Homo‘ oder ‚Hungermarsch‘[7].Diese Beschäftigung mit der Vergangenheit wurde ihm später zum Vorwurf gemacht und war kurz vor seinem Tod 1953 Anlass zur Selbstkritik [8], die ihn seine wichtigen Werke der Nachkriegszeit in Frage stellen ließen.[9] Nach 1949 wandte er sich „mit aller Kraft den Problemen der Gegenwart zu“.[10] Seine Werke entsprachen nun den geforderten Maßstäben des ‚Sozialistischen Realismus‘. So gab er selbst an: „Wir formen unser Kunstwerk und helfen damit, den neuen sozialistischen  Menschen zu formen.“[11] Im Mittelpunkt seines Schaffens stand immer der Mensch, „um den künftigen vor allem und damit ja auch um den gegenwärtigen, den er [Bruse, Anm.d.Verf.] mit seiner Kunst erziehen wollte[12]“. Es ging ihm dabei nie um das Porträt eines konkreten Proletariers, sondern um die Darstellung eines neuen Typus.[13]

Hermann Bruse fertigte 1949 das Gemälde ‚Keine Hand für den Krieg‘[14]. Das entstandene Bild diente ihm zwei Jahre später als Vorlage für ‚Der neue Eigentümer‘. Dargestellt ist ein streikender Hafenarbeiter, welcher so seinen Protest gegen die Wiederbewaffnung der Bundesrepublik äußerte. Die Ähnlichkeiten beider Arbeiter sind offensichtlich: die verschränkte Armhaltung, die Gestaltung des Kopfes sowie der starre Blick[15]. Sowohl der Titel als auch die

„Industriestaffage […] behaupten die vollzogene Revolution der Eigentumsverhältnisse in der Deutschen Demokratischen Republik: der ausgebeutete Lohnarbeiter als Eigentümer der gesellschaftlichen Produktion[16]“.

Doch so stolz und zufrieden scheint der Eigentümer nicht zu sein - der Blick seiner Augen ist eher melancholisch, nach innen gerichtet. Die Pose wirkt starr; unterstrichen wird diese Wirkung durch den erschöpften Zug um den Mund des Mannes. Scheinbar unberührt von den Aktivitäten um ihn herum bildet er dennoch den Mittelpunkt des Geschehens.

Anmerkungen

[1] Vgl Möbius, Helga: Überlegungen zur Ikonografie der DDR-Kunst. In: Weggefährten, Zeitgenossen (Ausst.-Kat.) Berlin 1979, S. 357-370, S. 361.

[2] Raum, Hermann: Die Gestalt des Arbeiters in der Kunst der DDR. In: Bildende Kunst. Heft 11, 1976, S. 566-569, S. 568.

[3] Sachs, Angeli: Erfindung und Rezeption von Mythen in der Malerei der DDR. Analysen. Berlin 1994, S. 10.

[4] Türk, Klaus: Bilder der Arbeit. Eine ikonographische Anthologie. Wiesbaden, 2000, S. 82.

[5] Vgl. auch das Gemälde von Otto Nagel ‚Junger Maurer (Maurerlehrling Wolfgang Plath)‘. 1953, Öl auf Leinwand, 116 x 79,5 cm, Stiftung Stadtmuseum Berlin. Ähnlichkeiten zwischen dem dargestellten Arbeiter und Bruses ‚Eigentümer‘ finden sich nicht nur in der Gestaltung der Hauptfigur, auch die Gerüste im Hintergrund sowie die Fahnen sind ähnlich.

[6] 1932 trat er der KPD bei, bereits zwei Jahre später erfolgte seine erste Verhaftung. Er gehört zu den Gründungsmitgliedern des 1945 ins Leben gerufenen Kulturbundes der DDR.

[7] Hermann Bruse: Hungermarsch. 1945/46, Öl auf Leinwand, 127 x 93,5 cm, Märkisches Museum Berlin; ders.: Ecce homo. 1948, Öl auf Leinwand, 70 x 53,5 cm, Staatliche Museen zu Berlin, Preußischer Kulturbesitz, Neue Nationalgalerie Berlin.

[8] Vgl. Bruse, Hermann: Formalismus-Feind der Kunst!. In: Bildende Kunst, 1953, Heft 2. S. 58-62.

[9] Vgl. Kober, Karl Max: Die Kunst der frühen Jahre. 1945-1949. Leipzig 1989, S. 301.

[10] Bruse, Hermann (wie Anm. 8), S. 59.

[11] Ebd., S. 62.

[12] Lang, Lothar: Hermann Bruse – Ein wahrer Menschenbildner. In: Bildende Kunst, Heft 12, 1958. S. 822-828, S. 821.

[13] Vgl. Helden auf Zeit. Porträts aus dem Kunstarchiv Beeskow. Hg. Tippach-Schneider, Simone, (Ausst.-Kat.) Beeskow 2009, S. 22.

[14] Hermann Bruse: Keine Hand für den Krieg. ca. 1949, Öl auf Leinwand. Verbleib unbekannt.

[15] Vgl. Gillen, Eckhardt: Das Kunstkombinat DDR. Zäsuren einer gescheiterten Kunstpolitik. Bonn 2005, S. 42.

[16] Gillen, Eckhardt: Bilderstreit im Sonnenstaat. In: Kunst in der DDR – Künstler, Galerien, Museen, Kulturpolitik und Adressen, Köln, 1990, S. 18-25, S. 21.

 

Siehe auch das Themenangebot "Aufbau des Sozialismus".

 

Zitierempfehlung: Lilian Groß: Bilddossier zu "Der neue Eigentümer" (1951) von Hermann Bruse, Juli 2012. In: Kunst in der DDR, URL: <https://bildatlas-ddr-kunst.de/knowledge/403>

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