Einführungstexte

Pressedossiers

Literatur

Bilddossiers

Bilddossierzeithistorisches DokumentReprintKurze Bildbesprechung

Diana Kopka

Michael Morgner, Schweißtuch (1986)

Schweißtuch, 1986

Tuschlavage über Prägung und Asphalt, Papier auf

200 x 200 cm, unsigniert

Kunstsammlungen Chemnitz, Inv.-Nr.: 998, 1987

 

Michael Morgner, geboren 1942 in Dittersdorf bei Chemnitz, absolviert von 1961 bis 1966 ein Studium an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig. In den 1970er Jahren bildet sich sein Schaffen, das anfänglich in der Nachfolge der Klassischen Moderne stand, stilistisch um. Der Künstler vereinfacht zunächst in der Zeichnung und Lithografie die Körperformen und löst den illusionären Bildraum auf. Diese wiederkehrenden Darstellungszeichen der Körper überträgt Morgner später auf seine Malerei. Er ist 1973 Mitbegründer und aktives Mitglied der Verkaufsgenossenschaft „Galerie oben“, 1977 auch der Künstlergruppe und der in Adelsberg gelegenen Produzentengalerie „Clara Mosch“[#sdfootnote1sym 1] in Karl-Marx-Stadt.[#sdfootnote2sym 2]

Die Kunstsammlungen Chemnitz erwerben 1987 Morgners Gemälde Schweißtuch. Damit wird die bereits seit 1974 angelegte Sammlung von zwei Gemälden, etwa 40 Zeichnungen und etwa 50 druckgraphischen Arbeiten erweitert. Das Gemälde Schweißtuch besteht vordergründig aus 16 gleichgroßen Quadraten. Sie bestehen aus mehrlagigen, geprägten Papieren, die auf eine tragende Leinwand aufgebracht werden. In jedem Viereck hebt sich mittels Schablone und Prägedruck dieselbe Einzelfigur hervor. Umrisslinien mit Füllung konturieren sie. Der Kopf ist erdenschwer nach vorn geneigt, die Linie zeichnet sich in der Rückenpartie fort; er treibt im Bildraum umher. Morgner betitelt ihn mit „Angstfigur“. Nur dadurch wird das zunächst abstrakt anmutende Gemälde gegenständlich. Die Mitte des Schweißtuches ist durch die vorwiegend helle Farbgebung hervorgehoben und bildet ein Zentrum. In seiner Lavagetechnik wäscht Morgner in den zwölf rahmenden Quadraten die ursprünglich aufgetragene schwarze Tusche in differenzierten Grau- und Anthrazittönen aus.

Sein Titel Schweißtuch verweist auf die christliche Ikonographie. Laut Legendenbildung wischt Christus auf dem Weg nach Golgatha den Schweiß in das von Veronika ihm dargereichte Tuch; das wahre Antlitz Christi zeichnet sich auf dem Tuch ab.[#sdfootnote3sym 3] Der Künstler hat im Rahmen seiner Ausstellung in den Kunstsammlungen Chemnitz 2011 das Gemälde in seinen Zyklus Einsiedel 5.3.1945 als Schlussarbeit eingeordnet: „Es gehört zu einem Zyklus von vier Bildern über den Untergang von Einsiedel, das im Krieg zu 97 Prozent zerbombt wurde. […] „Schweißtuch“ist das letzte Bild dieses Zyklus´: das Leichentuch über den Opfern.“[#sdfootnote4sym 4]

Morgners Kunst nimmt in der DDR durch seine Maltechnik eine solitäre Position ein. Charakteristisch ist, dass der Künstler sich nicht der vollständigen Abstraktion zuwendet sondern durch die Benutzung der Prägefiguren der Gegenständlichkeit anhängt. Das serielle Arbeiten setzt Morgner bis heute fort, die Präge- und Lavagetechnik wird nach wie vor von ihm benutzt.

[#sdfootnote1anc 1] Die Künstlergruppe Clara Mosch ist ein Zusammenschluss von fünf Künstlern, deren Anfangsbuchstaben den Gruppennamen bilden: Carlfriedrich CLAus; Thomas RAnft, Dagmar Ranft-Schinke, Michael MOrgner, und Gregor-Torsten SCHade (Kozik).

[#sdfootnote2anc 2] Deutsches Requiem. Ausst.-Kat. Saarland Museum Saarbrücken. Hrsg. von Ernst-Gerhard Güse. Stuttgart 1993. S. 37-39.

[#sdfootnote3anc 3] Lexikon der christlichen Ikonographie, Hrsg. von Engelbert Kirschbaum, Freiburg im Breisgau 1994. Band 4, Allgemeine Ikonographie Saba, Königin von – Zypresse. S. 223.

[#sdfootnote4anc 4] „Und doch ist eine Angst in allen.“ Peter Iden im Gespräch mit dem Künstler Michael Morgner. Zitiert nach: Wie Anm. 2. S. 29.  

Ausstellungen

Michael Morgner. Deutsches Requiem. Ausst.-Kat. Saarland Museum Saarbrücken Hrsg. von Ernst-Gerhard Güse. Stuttgart 1993.

Michael Morgner. Bilder / Paintings 1985-2008. Ausst.-Kat. Kunstsammlungen Chemnitz. Hrsg. von Ingrid Mössinger. Kunstsammlungen Chemnitz, Bielefeld, Leipzig, Berlin 2011.

Zitierempfehlung

 

Zitierempfehlung: Diana Kopka: Bilddossier zu "Schweißtuch" (1986) von Michael Morgner, September 2012. In: Kunst in der DDR, URL: <https://bildatlas-ddr-kunst.de/knowledge/1119>

Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF)