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Bernhard Kretzschmar, Selbstbildnisse

© VG Bild-Kunst, Bonn 2012

Geb. am 29.12.1889 in Döbeln, gest. am 16.12.1972 in Dresden. 1909 Kunstgewerbeschule und 1911-14 Studium an der Dresdener Akademie, dort 1918-20 Meisterschüler bei R. Sterl. Seit 1920 freischaffend in Dresden. 1932 Gründer der Neuen Dresdener Sezession. 1933 als entartet verfemt. 1945 Vernichtung eines GroßteiIs seiner Werke durch Luftangriff. 1946 Ernennung zum Professor. 1959 Nationalpreis.

Die hohe Dresdener Malkultur, die sich aus der Tradition des Spätimpressionismus entwickelt hatte, fand in Bernhard Kretzschmar einen ihrer bedeutendsten Bewahrer und Fortsetzer. Wie viele Künstler seiner Generation setzte er sich mit dem Expressionismus auseinander, ging dann etwa zu gleicher Zeit wie Dix, Griebel und Felixmüller um 1920 zum Verismus (verus [lat.] = wahr) über. Besonders in solchen Radierungen wie „Zigarrenmacher“, „Sonntag in Döbeln“ oder „Der Tod des Sekretärs K.“ leuchtete er mit sarkastischer Schärfe hinter die Fassade der Weimarer Republik. Er schilderte das soziale Elend und mit Sinn für das Komische die Daseinsweise des Spießbürgers.

Nach dem Zweiten Weltkrieg traten die sozialen Motive in den Hintergrund. Sein Bemühen galt verstärkt der Landschaft, wobei er vornehmlich in den reizvollen Vorortgegenden Dresdens seine Sujets fand. Oft malte er die Landschaften panoramahaft. Dies trifft vor allem für sein Bild „Eisenhüttenstadt“ (1955), welches heute zu den Marksteinen der sozialistischen Kunstentwicklung gehört, zu.

Aus impressionistischen Traditionen, die er mit einer sachlichen Betrachtungsweise und festem Bildaufbau verschmolz, entwickelte er seinen späteren Stil. Seine Palette wies leuchtende Farben auf, blaue, violette und rosa Töne herrschten vor. Kretzschmar hat viele Porträts gemalt: Künstler, Freunde und politische Persönlichkeiten, wobei er mit größtmöglicher Objektivität das Charakteristische herauszuarbeiten suchte. Eine entscheidende Rolle im Schaffen Kretzschmars spielte das Selbstbildnis. Als wichtige Zeugnisse kontrollierender Selbstbefragung findet man sie in allen Stationen seiner künstlerischen Entwicklung. Sein „Selbstbildnis an der Staffelei“ (1946) zeigt ihn noch unter dem Eindruck des Kriegserlebnisses, mit skeptischem Gesichtsausdruck.

Andere Selbstdarstellungen seines markanten, asketischen Kopfes zeigen eine andere Seite des Wesens Bernhard Kretzschmars: seinen weithin bekannten, klugen und streitbaren Spottsinn. Das „Letzte Selbstbildnis“ entstand kurz vor seinem Tode und blieb unvollendet. Es ist das Ergreifendste, und es zeigt ihn auf dem Gipfelpunkt seines künstlerischen Vermögens angelangt.

Das Leipziger Selbstbildnis liegt zeitlich dazwischen. Kretzschmar konzentrierte sich auf die Darstellung des Kopfes, verzichtete auf die Andeutung eines Milieus. Der Hintergrund und das Hemd werden bestimmt durch Ultramarin und Abstufungen von Blaugrün, die wie vom Sonnenlicht getroffen aufscheinen. Komplementär dazu steht das starke Rotbraun in den Schattenpartien des hageren Gesichts. Dieses Porträt offenbart etwas von der Charakterfestigkeit, von dem unentwegt in Wind und Wetter vor der Natur malenden Künstler.

Quelle: Henry Schumann: Bernhard Kretzschmar, Selbstbildnisse. In: Malerei der DDR. Kataloge der Gemäldegalerie, Heft 5, hrsg. v. Museum der bildenden Künste. Leipzig 1977, S. 12.

Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF)