© VG Bild-Kunst, Bonn 2012
Geb. am 31.3.1925 in Breslau. 1941/42 Besuch der Kunstgewerbeschule Breslau, danach Soldat. 1949- 51 Studium an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig bei M. Schwimmer. Dort seit 1954 Lehrtätigkeit; 1961 Professur, 1961-64 und seit 1976 Rektor, danach Leiter der Abt. Grafik. 1968-76 freischaffend, 1972 ordentliches Mitglied der Akademie der Künste der DDR und Nationalpreis.
Bernhard Heisig versteht sich vornehmlich als Figurenmaler. Die schwierigste, aber auch reizvollste Aufgabenstellung für den Maler sieht er in den vielfigurigen Darstellungen, wobei es ihm darum geht, im oft langwährenden Prozeß der geistigen Auseinandersetzung mit dem Bildstoff und mit Hilfe zahlreicher Studien und immer wieder verworfenen Fassungen die Gestalten innerhalb großer Kompositionen zueinander in Beziehung zu bringen. Sein Hauptverdienst erwarb er sich bei der Herausbildung einer neuen Historienmalerei. Besonders in der langjährigen Auseinandersetzung mit dem Thema der Pariser Kommune entwickelte er große Bildphantasie und Ideenreichtum, fand neue Möglichkeiten der Massenregie in vielfigurigen Bildern.
Aber zwischen den großen, gesellschaftlich bedeutsamen Bildern und während der Arbeit an ihnen, fällt sein Blick oft auch auf die bescheidenen Dinge, die er dann aus einer elementaren Freude am Schaffen heraus spontan heruntermalt. So werden etwa der Anblick einer Trompete oder eines zufäIlig dastehenden Blumenstraußes Anlaß für eine Reihe von Stilleben. Das kann auch ein anspruchsloses Stück Landschaft sein, welches ihn an früher Erlebtes erinnert, Empfindungen auslöst und zur Gestaltung drängt. Heisig gehört zu den Künstlern, die das Noch-Staunen-können sich bewahren, die sich vor der Natur immer wieder „aufladen“ müssen. Er sagt: „Habe ich den Natureindruck unmittelbar vor mir, kann ich ihn ohne übermäßigen intellektuellen Einsatz realisieren und kann mich dem Vergnügen am Malen voll hingeben. So gesehen ist das Malen vor der Natur eine Erholung.“
Solch ein von Empfindungen getragener Natureindruck dürfte auch bei dem Bild „Es regnet“ unmittelbar zugrunde liegen, vielleicht auch ein Reiseerlebnis abends auf dem Balkon eines Hotels. Ein Vergleich mit dem 1969 entstandenen Bild „Sozopol bei Nacht“, welches fast kongruent in der Wahl des Bildausschnittes ist, legt diesen Gedanken nahe. Hier wie dort geht der Blick von einem Balkon, dessen Brüstung als Schräge gegeben ist, hinaus in die stürmische Nacht. Als Vertikale ist beidemal links die Tür angedeutet.
Diese Impression „Es regnet“ weist als gegenständlich Ablesbares nur die schwärzlichen Konturen des geschwungenen Balkongitters auf. Die Wasserfläche und das gegenüberliegende düstere Ufer verschwimmen im heran rauschenden Sturzregen. Der Künstler wurde hier wie meist von der farbigen Erscheinung angeregt. Nächtliches Blau ist der Grundtenor, von draußen aufgehellt und mit weiß schäumenden Regenbahnen hereinströmend, im Innenraum abgewandelt zu tiefem Blauviolett. Das Skizzenhaft-Fragmentarische der spontanen Niederschrift wird hier als ästhetischer Wert erlebbar.
Quelle: Henry Schumann: Bernhard Heisig, Es regnet (1972). In: Malerei der DDR. Kataloge der Gemäldegalerie, Heft 5, hrsg. v. Museum der bildenden Künste. Leipzig 1977, S. 40.