Vergleiche mit Bilddossier von Dietulf Sander von 2003 und von Kathleen Schröter von 2010.
© VG Bild-Kunst, Bonn 2012
Geb. am 19.2. 1901 in Dresden, gest. am 11.9.1958 in Dresden. 1915 Lehre als Dekorationsmaler, danach in einer Fabrik. 1920-21 Kunstgewerbeschule Dresden, 1922-26 Studium an der Dresdener Akademie bei O. Gußmann und O. Hettner. 1930 Gründungsmitglied der ASSO. 1934 Berufsverbot. 1938 bis 1944 KZ Sachsenhausen. 1946 Rückkehr nach Dresden; Professur und Rektor an der Hochschule für bildende Künste.
Ausstellungen seines Gesamtwerkes in den letzten Jahren haben Hans Grundigs Ruf nicht nur als wichtigsten Vertreter der proletarisch-revolutionären Kunst gefestigt, sondern machten auch seine Bedeutung für die deutsche Kunst des zwanzigsten Jahrhunderts überhaupt bewußt.
Schon um 1922 wuchsen ihm unter dem Einfluß proletarischer Künstler und des sozialkritischen Verismus eines Otto Dix die Mittel zu, welche er abwandelte und mit neuen Inhalten erfüllte. Es waren vor allem die starken Ausdruckswerte der ungebrochenen Farbe und die formale Spannkraft des sogenannten linken Expressionismus. Später, schon von Visionen des sich ankündigenden faschistischen Infernos bedrängt, fand er Artverwandtes in der spukhaften Phantastik der Bildwelten des Hieronymus Bosch und des Höllen-Breughel.
Zugleich entdeckte er für sich die Ausdrucksgewalt bei Matthias Grünewald, seine aus der Tiefe glühende Farbigkeit, die er in altmeisterlicher Lasurmalerei erzielte. Zu voller Meisterschaft gelangte Hans Grundig zur Machtergreifung des Faschismus. Das
Dresdener Triptychon „Das Tausendjährige Reich“ (1935-1938), ein Hauptwerk antifaschistischer Widerstandskunst, zeigt das am deutlichsten. Was er auf diesen Tafeln in alpdruckartigen grotesken Szenen als apokalyptischen Untergang formuliert und beschworen hatte, wurde bald grausige Realität.
Als Hans Grundig 1946 krank aus KZ und Fronteinsatz in das zerstörte Dresden zurückkehrte, war es sein Hauptanliegen, den im Todeslager umgebrachten Genossen und Freunden mit seiner Kunst ein Denkmal zu setzen und sich die erlebten Schrecknisse „von der Seele zu malen“. So entstand schon 1946 die erste Fassung der „Opfer des Faschismus“. Gleichsam eingeschreint ruhen die zwei Toten im Bildraum des niedrigen Querformates, wodurch die Situation des Liegens besonders betont wird. Um sie ist Stille. Nur schwarze Totenvögel ziehen ihre Kreise, scheinen auf sie herabzustoßen. Die ausgezehrten Leiber tragen noch die gestreifte Häftlingskleidung. Unter Tüchern, die man darübergeworfen hat, deuten sich ihre Konturen an. Der Kopf der vorderen Gestalt ist verhüllt, seine Beine und die herausragenden nackten Füße sind verkrümmt. Das Profil des anderen ragt starr und spitz aus der Verhüllung heraus. Die Antlitze und Körper hat der Künstler in kantig-expressiven, knappen Formen modelliert. Man sieht, wie er hier unmittelbar an seine vor der Verhaftung erreichten Stilmittel anknüpfte, die dem Thema vollkommen entsprechen. Das gilt auch für die von großer Leidenschaft der Einfühlung zeugende Farbigkeit. Das dunkle Rot erscheint wie verlöschende Glut in Konturen und Schatten der toten Körper, daneben in den Kleidern und am nächtlichen Himmelsstreifen tiefes gebrochenes magisches Blaugrün. Aus braunrotem Gewölk träuft es zinnoberrot wie Blut. Daneben quillt Rauch auf, was vielleicht auf die Massenvernichtung im Krematorium hinweist. Grelles, kaltes Licht der Scheinwerfer kalkt die Wachtürme und das Rund des tödlichen Drahtzaunes weißlich. Die Verwendung von Goldgründen in der mittelalterlichen
Kunst dürfte den Künstler angeregt haben, als er Blattgold in die Malerei einfügte, welches mit seinem Leuchten die bei den Toten als Ausdruck der Weihe und des Feierlichen umgibt.
Quelle: Henry Schumann: Hans Grundig, Opfer des Faschismus (1946). In: Malerei der DDR. Kataloge der Gemäldegalerie, Heft 5, hrsg. v. Museum der bildenden Künste. Leipzig 1977, S. 22.