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Jörg Sperling

Kunstmuseum Dieselkraftwerk Cottbus

Brandenburgisches Landesmuseum für moderne Kunst Dieselkraftwerk

Als das Kunstmuseum im März 1977 unter dem Namen „Galerie Kunstsammlung Cottbus“ gegründet wurde, war es zunächst nur eine Außenstelle des Bezirksmuseums Schloß Branitz. Die im Künstlerverband (VBK-DDR) organisierten ortsansässigen Kräfte, namentlich die Maler Dieter Dressler und Günther Friedrich hatten an dieser Gründung mitgewirkt, denn es fehlte bislang an einem qualitätvollen Ausstellungsort in der Stadt. Erst ein Jahr später erhielt die Einrichtung, untergekommen in einem Teppichkaufhaus mit seinem Charme aus den 1920er Jahren, die Selbständigkeit. Ab 1984 firmierte sie als „Staatliche Kunstsammlungen Cottbus“ im „Kohle- und Energiebezirk“. Nach Frankfurt/Oder und Rostock, sowie vor Neubrandenburg war damit eine der vier Neugründungen in der DDR, die dem Strukturprinzip der Bezirke Rechnung trug.

Auf Grund der übernommenen Bestände und der kulturpolitischen Vorgaben folgte das Profil anfänglich einer regionalen Orientierung. Das fand aber bereits im Jahre 1979 mit der damals ungewöhnlichen, zugleich aber zukunftsweisenden Anlage von Sammlungen zur Fotografie und Plakat eine wesentliche Erweiterung. So stand alsbald als Arbeitsschwerpunkt die jüngere DDR-Kunst ab 1970 auf den Fahnen. Mit Ausstellungen wie „Zeichnung in der Kunst der DDR“ (1985) sollte diese Profilierung unterstrichen werden. Gerade die Fotografieabteilung erlangte mit Expositionen von Christian Borchert (1980), Alexander Rodtschenko (1981) oder der „Französischen Fotografie des 20. Jahrhunderts“ (1984) landesweite Aufmerksamkeit. Auch die Plakatabteilung zeigte eine klare Positionierung in der Kunstlandschaft mit Ausstellungen von Erhard Grüttner (1979), den „Britischen Plakaten“ (1981) oder Volker Pfüller (1986). Zudem konnte sie als einziges Sammlungsgebiet schon frühzeitig Erwerbungen aus dem westlichen Ausland verzeichnen. Mit dem Ankauf u.a. von Werken der proletarisch-revolutionären Kunst, so von Otto Griebel, Gustav-Alfred Müller und Curt Querner, sowie einer Kollektion des Spätexpressionisten Carl Lohse, wurde gar eine Profilerweiterung auf die Kunst des 20. Jahrhunderts angestrebt. Was sich aber für die damaligen Verhältnisses als unrealistisch erwies.

Ab Mitte der 1980er Jahren erfolgte die zunehmende Ausrichtung auf experimentelle Kunstströmungen in der DDR, die ihren Niederschlag in einem ganzen Spektrum von Ausstellungen wie „Fotografie in der Kunst der DDR“ (1986), „Figur=Zeichen“, „Künstlerbücher + Buch-Objekte“, „Herbert Kunze. Anreger und Freund“ (alle 1988) und „Die Kunst der Collage in der DDR“ (1990) fand. Diese Neuorientierung offenbarte sich auch deutlich in den Sammlungspräsentationen jener Zeit, denn waren doch schon vor der Wende Werke von Hermann Glöckner, Günther Hornig, Willy Wolff, sowie von Thomas Florschuetz, Clemens Gröszer, Klaus Hähner-Springmühl, Walter Libuda, und Jürgen Wenzel in den Sammlungsbeständen zu finden. Eine „Wende an den Wänden“ (André Meier) mußte also in Cottbus kaum stattfinden.

Im Zuge der Neugründung des Landes Brandenburg im Herbst 1990 wurde das Haus zum Landeskunstmuseum ernannt, nun als „Brandenburgische Kunstsammlungen Cottbus“. In der Nachwende folgte die Museumsarbeit gewissermaßen zwei Hauptsträngen: zum einen wurden Aspekte der Kunst aus der DDR aufgearbeitet und zum anderen wurde der, bis dato kaum erreichbaren westlichen Moderne, von Arnulf Rainer (1991) bis Emil Schumacher (1994), das Haus geöffnet. Besonders in Personal- und thematische Ausstellungen – z.B. „Rollo. Kunst als Dekoration?“ (1991), Hans Scheuerecker (1992), Clemens Gröszer (1993) oder Wolfgang Petrovsky (1997) – sowie mit begleitenden Publikationen leistete das Kunstmuseum einen Beitrag zur ostdeutschen Kunstgeschichte. Die Fotografie spielte dabei weiterhin eine sehr gewichtige Rolle in der Ausstellungs- und Sammlungstätigkeit, wie mit Ausstellungen zur ostdeutschen Fotoszene: Kurt Buchwald, „Das letzte Jahrzehnt. Ostdeutsche Photographie der 80er Jahre“ (beide 1993) oder Claus Bach (1995). Nicht unterschlagen werden soll die Reihe „Plakate der Welt“, sie brachte von Anfang an kontinuierlich aktuelle Plakatkunst der verschiedene Länder und Erdteile ins Haus und teilweise in die Sammlung, so etwa 1995 aus Rußland oder „Plakate in China“ (1997).

Natürlich fand auch die brandenburgische Gegenwartskunst u.a. mit der Reihe „Neue Konturen“ (ab 1991) ihren angestammten Platz im Museum. Über die Jahre folgten in diesem wie in anderem Rahmen Ausstellungen mit Dieter Zimmermann (1996), Jo Achermann und Daniel Sambo-Richter (2001) oder Matthias Körner (2005). Andererseits aber strebte man durch den neuen Status als Landesmuseum ein erweitertes Profil an, das sich Mitte der 1990er Jahre in der Übernahme der Privatsammlung „Kunst + Design“ – mit einem Hauptanteil an klassischer Moderne –widerspiegeln sollte. Aber leider konnte dieser Plan letztlich nicht realisiert werden.

Seit Ende der 1990er Jahre liegt der Arbeitsschwerpunkt auf dem Themengebiet „Landschaft/Natur/Raum/Umwelt“. Dies geschah auch in Abgrenzung vom Museum Junge Kunst Frankfurt/Oder, das sich der ostdeutschen Kunst verschrieben hatte. Abgeleitet aus einer Vielzahl von Ansatzpunkten in der konkreten Landschaft und ihrer Geschichte in und um Cottbus (Carl Blechen, Fürst Pückler Park, Tagebaue, IBA, Spreewald usw.) entfaltet sich hier ein produktiv und weiträumig zu beackerndes Feld. Wobei mit der Begriffshäufung bewußt über den üblichen Motivrahmen hinaus gezielt wird, um zumindest das kunsthistorische Spannungsfeld zwischen Belangen der Umwelt, Naturmaterialien und der von Menschenhand erzeugten „Problemlandschaft“ deutlich werden zu lassen. Ein umfassender Überblick wurde unter dem Titel „Das flache Land. Positionen einer unspektakulären Sicht“ (2001) vorgelegt, der einen ersten Höhepunkt darstellte. Mit 23 künstlerischen Positionen, so auch aus Holland, Polen und Tschechien, fand das regional aufgenommene Thema zwischen Malerei, Grafik, Fotografie und Videokunst seine Ausweitung. Wichtige Stücke daraus – von Ulrich Erben, Klaus Hartmann und Norbert Schwontkowski – konnten für die Sammlung erworben werden. Daneben stehen Einzelpräsentationen, so mit Micha Brendel (1999), Johannes Geccelli (2000) oder Thomas Hartmann (2004), sowie thematisch Ausstellungen, etwa „Erinnerungslandschaft“ (2002) und „Gezähmte Natur“ (2004) oder auch die Plakatpräsentation „Es geht UM die WELT“ (2012) auf dem Programm.

Neben diesem jährlich mit Ausstellungen bestückten Themenkreis sind Vertreter der klassischen Moderne immer wieder zu Gast und bilden einen Anziehungspunkt im Ausstellungsprogramm des Hauses, so Andy Warhol (1993), Otto Dix (2001) oder die Präsentation der Krefelder Museumssammlung „Farbwelten“ (2011).

Seit 1999 haben in wechselndem Rhythmus die Stipendiaten des Landes Brandenburg einen festen Platz am Spielort der Gegenwartskunst. So zeigte die letzte Präsentation unter dem Titel „Wahlverwandtschaft“ (2011/12) u.a. wichtige Beiträge der Fotokünstler Frank Gaudlitz, Steffen Mühle und der Malerin Kerstin Seltmann.

In Vorbereitung auf den geplanten Umzug der Brandenburgischen Kunstsammlungen Cottbus wurde 2004 zusammen mit dem Staatstheater Cottbus durch das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Brandenburg die „Brandenburgische Kulturstiftung Cottbus“ ins Leben gerufen. Und 2006 erfolgte deshalb die Umbenennung der Einrichtung in „Kunstmuseum Dieselkraftwerk Cottbus“. Mit dem Umzug und der Eröffnung des neuen Domizils im von Anderhalten Architekten (Berlin) umgebauten Dieselkraftwerk im Mai 2008 erhielt das Kunstmuseum einen technischen Ausstattungsgrad, der an internationalen Standards ausgerichtet ist. In dem solitären Klinkerbau, der seine Aura in der innerstädtischen Grünzone auf der Mühleninsel entfaltet, erbaut vom AEG-Architekten Werner Issel in den Jahren 1927/28, hat das Kunstmuseum eine neue Heimstatt gefunden. Derzeit werden hier rund 24.000 Kunstwerke (600 Malereien, 2.800 Fotoarbeiten, 3.400 Arbeiten auf Papier, darunter Künstlerbücher und Rollos, 150 Skulpturen und Objekte, 17.000 Plakate) aufbewahrt.

In der Eröffnungsausstellung „Angelandet“ (2008) wie auch in nachfolgenden Sammlungspräsentationen, so z.B. „Himmelweiter Unterschied“ (2010), werden Werke der Gegenwartskunst wiederholt in fruchtbare Dialoge mit solchen aus der Kunstlandschaft der DDR gebracht. Und zudem hängen nicht nur in den temporär präsentierten Sammlungseinblicken seit langem Malerei und Fotografie gleichberechtigt nebeneinander. Letztere bleibt ein wesentliches Standbein der Museumsarbeit, was sich in einer Reihe von Ausstellung in den letzten Jahren verdeutlicht: „day by day. Amerikanische Fotografie“ (2008), „Mit Abstand – Ganz nah. Fotografie aus Leipzig“ (2009), Arno Fischer. Retrospektive“ (2010) und „Ostzeit.“ (2011).

Natürlich bildet im neuen Haus das Thema „Landschaft…“ ein Zentrum der Museumsarbeit, so in der Ausstellung „[Märkischer] Sand“ (2008), die kunsthistorisch breit angelegt von Carl Blechen bis in die Gegenwart führte und auch die Fotografie mit integrierte. Oder jüngst in der Personalausstellung des aus Bautzen stammenden Malers Thoralf Knobloch (2012) – bereits in der Sammlung vertreten – der stille Lausitzer Landschaftsmotive in welthaltige Kompositionen verwandelt.

 

 

Jörg Sperling ist Kustos der Sammlung Bildende Kunst im Kunstmuseum Dieselkraftwerk Cottbus.

 

Zitierempfehlung: Jörg Sperling: Kunstmuseum Dieselkraftwerk Cottbus. Ein kurzer Abriss. Oktober 2012. In: Kunst in der DDR, URL: <https://bildatlas-ddr-kunst.de/knowledge/324>

Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF)