Anna Littke
Einprägsam zeigt Kurt Dornis mit seinem Bild „Zweite Schicht“ von 1986 die alltägliche Realität von berufstätigen Frauen in der DDR. Nach der Schicht am Arbeitsplatz hatten sie weitere Pflichten wie die Hausarbeit zu bewältigen. War also die politisch gewollte und wirtschaftlich notwendige Gleichberechtigung von Mann und Frau im Arbeiter- und Bauernstaat gescheitert? Das Bild deutet dies an.
Die Gleichstellung von Männern und Frauen wurde von den Anfängen der DDR an propagiert. So hieß es in der Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik vom 7. Oktober 1949 in Artikel 7: „Mann und Frau sind gleichberechtigt. Alle Gesetze und Bestimmungen, die der Gleichberechtigung der Frau entgegenstehen, sind aufgehoben.“ Weitere Gesetze wie das „Über den Mutter- und Kinderschutz und die Rechte der Frau“ von 1950 förderten die rechtliche und politische Gleichberechtigung und versuchten, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf für die Frauen zu verbessern. So wurde im Lauf der Jahrzehnte der Anteil der berufsstätigen Frauen kontinuierlich gesteigert, sodass 1986 über 90 Prozent im arbeitsfähigen Alter zwischen 15 und 60 Jahren erwerbstätig waren.[1]
In der Tradition der Arbeiterbewegung war die Lösung der „Frauenfrage“ Teil des politischen Programms zur Befreiung der gesamten Arbeiterklasse und somit der Klassenfrage untergeordnet. Mit der Einbindung der Frauen in die Erwerbsarbeit, die als zentraler gesellschaftlicher Faktor und somit als „Pflicht“ verstanden wurde, sollte sich – so die propagierte Vorstellung – auch das Geschlechterverhältnis ändern. Der Demokratische Frauenbund Deutschland (DFD), 1947 gegründet, versuchte, die Frauen zur Berufstätigkeit zu motivieren, vertrat jedoch vor allem politische Interessen und war letztlich für die Vermittlung der im ZK formulierten Ziele an die Adresse der Frauen zuständig.
Der Arbeitskräftemangel – in der unmittelbaren Nachkriegszeit vor allem ein demografisches Problem – führte dazu, dass viele Frauen beim Wiederaufbau der Städte wie auch in der Produktion oder als Neu-Bäuerinnen arbeiteten; sogenannte Hausfrauenbrigaden sollten Engpässe in Industrie und Landwirtschaft beseitigen helfen. Der Arbeitskräftemangel bestand bis zum Ende der DDR und war ein gravierendes wirtschaftliches Problem, dem die SED mit der Förderung der Erwerbstätigkeit von Frauen mittels Verordnungen und sozialpolitischen Maßnahmen entgegenwirken wollte. Gleichzeitig erforderten die niedrigen Durchschnittsgehälter seit den 1960er Jahren die Mitarbeit eines Großteils der Ehefrauen für die Versorgung der Familie.
Da Frauen zunächst oft schlechter ausgebildet waren, wurden in den 1960er Jahren Qualifizierungskurse und Ausbildungen extra für Frauen und Mütter organisiert. Der Ausbau von Kinderkrippen und Kindergärten sowie von Hortplätzen wurde vorangetrieben, so dass Mitte der 1980er Jahre die staatliche Unterbringung und Versorgung von 80% aller Kinder gewährleistet werden konnten. Frauenspezifische Schutzrechte dienten seit den 1950er Jahren dazu, den berufstätigen Müttern die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu erleichtern, sollten aber gleichzeitig auch der steigenden Tendenz zur Teilzeitarbeit entgegenwirken.
Frauen waren zwar in den Arbeitsprozess einbezogen, die Führungspositionen in Industrie und Landwirtschaft wurden jedoch nur im geringen Maße mit ihnen besetzt. Im Politbüro, dem Macht- und Entscheidungsorgan der SED, gab es im gesamten Zeitraum der DDR-Geschichte keine Frau als Vollmitglied. Frauenarbeitsplätze fanden sich vor allem in den eher schlecht bezahlten sozialen, medizinischen und kulturellen Berufen sowie im Dienstleistungsbereich.
Da sich alle Parameter des sozialistischen Leitbildes an der beruflichen Arbeit orientierten, erweckte die als selbstverständlich erwartete Berufstätigkeit der Frauen den Anschein, dass sie tatsächlich gleichberechtigt waren. Ein Blick nach Westdeutschland genügte, um sich bestätigt zu fühlen, da dort in vielen Familien die Ehemänner Alleinverdiener waren. Während sich aber in der Bundesrepublik seit 1968 eine starke Frauenbewegung entwickelte, wurden in der DDR Rechte wie das Gesetz über die Unterbrechung der Schwangerschaft (1972) nicht „erkämpft“ oder kontrovers diskutiert, sondern im Rahmen der SED-Frauen- und Familienpolitik eingeführt.
Da die Appelle an die männliche Bevölkerung, sich an der Hausarbeit und Kinderbetreuung zu beteiligen, kaum Gehör fanden, mussten die Frauen die Mehrfachbelastung von Erwerbsarbeit, Kinderbetreuung und Hausarbeit bewältigen. Schwierigkeiten und Konflikte innerhalb der Familie werteten viele Frauen eher als Ausdruck persönlichen Versagens denn als strukturelles Problem. In der Folge nahm die Teilzeitbeschäftigung fortlaufend zu, die Scheidungsrate in der DDR war eine der höchsten weltweit, und die Geburtenrate ging dramatisch zurück. So wurde der Abstand zwischen dem sozialistischen Leitbild und der Wirklichkeit immer größer.
Nach dem Machtwechsel von 1971 verkündete Erich Honecker auf dem VIII. Parteitag, dass die soziale Frage gelöst und die Befreiung der Arbeiterklasse erreicht sei. Offiziell war damit auch die „Frauenfrage“ geklärt; sie wurde nun Teil der allgemeinen Sozialpolitik. Da die Geburtenraten aber weiter sanken, wurden Mitte der 1970er Jahre neue sozialpolitische Gesetze verabschiedet. Dass sich diese hauptsächlich an verheiratete Frauen und Mütter richteten, machte noch einmal deutlich, in welchem Umfang diese auch weiterhin für Kinder und Haushalt zuständig waren. Die neuen sozialpolitischen Maßnahmen boten berufstätigen Müttern ein bezahltes Babyjahr, bezahlte Freistellungstage bei Krankheit des Kindes, Arbeitszeitverkürzungen und Qualifizierungsmöglichkeiten. Hinzu kamen günstige Kredite und die bevorzugte Zuteilung von Wohnungen an junge Familien. Diese paternalistische Frauen- und Familienpolitik stand nie ernsthaft zur Diskussion und blieb bis 1989/1990 bestehen.
In den 1980er Jahren entwickelten sich unter dem Dach der Kirche auch zahlreiche Frauengruppen. Sie setzten sich kritisch mit dem offiziellen Friedensdiskurs auseinander und prangerten die atomare Aufrüstung ebenso an wie die Umweltverschmutzung. Im Dezember 1989 gründete sich der Unabhängige Frauenverband (UFV) und forderte Mitspracherecht beim politischen Umbau.
In der bildenden Kunst der DDR wurde das Sujet der arbeitenden Frau von vielen Künstlern aufgegriffen. Nuria Quevedo, Heidrun Hegewald oder auch Horst Sakulowski und Kurt Dornis begannen ab den 1970er Jahren die Mehrfachbelastung der Frau und die Emanzipationsprobleme in ihren Bildern zu reflektieren. Auch Schriftstellerinnen wie Christa Wolf, Maxi Wander und Irmtraud Morgner verarbeiteten die Schwierigkeiten der Frauen in ihren Texten.
Dossier der Bundeszentrale für politische Bildung zur Frauenbewegung: http://www.bpb.de/gesellschaft/gender/frauenbewegung/
Gunilla-Friederike Budde: Frauen der Intelligenz. Akademikerinnen in der DDR 1945-1975. Göttingen 2003.
Gunilla-Friederike Budde (Hrsg.): Frauen arbeiten. Weibliche Erwerbstätigkeit in Ost- und Westdeutschland nach 1945. Göttingen 1997.
Birgit Bülow, Heidi Stecker (Hrsg.): EigenArtige Ostfrauen. Frauenemanzipation in der DDR und den neuen Bundesländern. Bielefeld 1994.<a name="_GoBack"></a>
Gisela Helwig, Hildegard Maria Nickel (Hrsg.): Frauen in Deutschland 1945-1992. Berlin 1993.
Brigitte Reimann: Franziska Linkerhand. Berlin 1974.
Maxi Wander: Guten Morgen, du Schöne. Berlin 1977.
Christa Wolf: Nachdenken über Christa T. Halle 1968.
Überblick über Gesetze, Beschlüsse, Maßnahmen und Verordnungen zur Frauenfrage in der SBZ und der DDR bietet die Publikation:
Hannelore Scholz: Die DDR-Frau zwischen Mythos und Realität. Zum Umgang mit der Frauenfrage in der Sowjetischen Besatzungszone und der DDR von 1945-1989. Schwerin 1997.
Friederun Bondzin: Junge Mutter, 1967
(Jürgen Böttcher) Strawalde: Mutter mit Kind (1956)
Kurt Dornis: Zweite Schicht (1986)
Erich Gerlach: Im Zwielicht, 1965/66
Bernhard Franke: Junge Intelligenz in der Chemie (1968/1969)
Siegfried Klotz: Mutter und Kind, 1981/82
Georg Kretzschmar: Die Volkslehrerin (1953)
Heinz Lohmar: Brigadeleiterin, 1952
Horst Sakulowski: Porträt nach Dienst (1976)
Norbert Wagenbrett: Brigade II (1989)
Lilian Groß: Strawalde (Jürgen Böttcher): Mutter mit Kind (1956)
[1] Statistisches Jahrbuch der DDR 1987, S. 16 f.
Zitierempfehlung: Anna Littke: Rolle der Frau - gleichberechtigt versus doppelbelastet. In: Kunst in der DDR, URL: <https://bildatlas-ddr-kunst.de/teaching/88>