Anna Littke
Die kultur- und kunstpolitische Infrastruktur der DDR wurde bereits während der sowjetischen Besatzungszeit in der zweiten Hälfte der 1940er Jahre etabliert. Unter der Losung „Die Kunst dem Volke“ löste eine marxistisch definierte, parteiliche Kulturpolitik die zunächst antifaschistisch-demokratische Programmatik der Kulturpolitik ab. Das Ziel der neuen kulturpolitischen Linie war es, die „Kluft“ zwischen Arbeitern und Intellektuellen zu überwinden.
Um eine den politischen Vorgaben entsprechende Kunstproduktion zu fördern, wurden gezielt Aufträge an die Künstler des Landes vergeben. Die Auftragsvergabe erfolgte unter anderem durch die Parteien und Massenorganisationen der DDR. Unter ihnen war die Einheitsgewerkschaft (FDGB) einer der wichtigsten Auftraggeber. In der Anfangsphase des politisch gelenkten Auftragswesens stimmten die Motive der Auftraggeber und jene der Künstler nicht selten überein. Zudem boten Aufträge die existentielle Grundsicherung für viele Künstler und Künstlerinnen, vor allem in den frühen Jahren der DDR.
Restriktionen und Freiräume bei der Wahl der Motive und Formen variierten im Verlauf der folgenden Jahrzehnte je nach politischem Anspruch und kulturpolitischen Zielsetzungen. Beispiele für die unterschiedlichen Phasen sind: Die Formalismusdebatte der frühen 1950er Jahre, bei der der Primat des sozialistischen Realismus gegenüber anderen Kunstströmungen als einzig richtige Form propagiert wurde, die Kampagne des „Bitterfelder Weges“ in den späten 1950er und Mitte der 1960er Jahre, die eine Annäherung von Künstlern und Arbeitern forderte, oder die von Erich Honecker 1971 proklamierte Losung von „Weite und Vielfalt“ in der Kunstproduktion, mit der eine neue Offenheit in der Kunst demonstriert werden sollte.
Im Zuge des wirtschaftlichen Aufschwungs seit Beginn der 1960er Jahre entwickelte sich eine spezifische Form des sozialistischen Mäzenatentums von Seiten der Betriebe, die für eine große Zahl wenig bekannter, zum Teil noch junger Künstler eine Form der Existenzsicherung bot. Die materiellen Anreize des betrieblichen Auftragswesens und eine kalkulierte Ankaufspolitik von Betrieben und staatlichen Organisationen gehörten bis zum Ende der DDR zur kulturpolitischen Praxis. Im Laufe der Jahre drückte sich in den Auftragsarbeiten eine zunehmend kritische Interpretation gesellschaftlich relevanter Themen und eine Ausdifferenzierung der Kunstformen aus.
Nach 1989/90 wurde das Auftragswesen der DDR kontrovers diskutiert. Während viele Künstler und Künstlerinnen das Auftragswesen kritisch sahen und sich vom Auftragswesen und teilweise auch von ihren eigenen Auftragsarbeiten distanzierten, erklärten andere die Restriktionen im Nachhinein für irrelevant und führten den inneren Selbstauftrag als einzige Richtschnur ihrer künstlerischen Arbeit an.
Bärbel Mann: Auftragskunst zwischen politischem Diktat und künstlerischer Freizügigkeit
Karl-Siegbert Rehberg: Mäzene und Zwingherrn
Jörn Schütrumpf: Auftragspolitik in der DDR
Weiterführende Literatur zum Auftragswesen
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Zitierempfehlung: Anna Littke: Zum Auftragswesen der DDR. In: Kunst in der DDR, URL: <https://bildatlas-ddr-kunst.de/teaching/73>