„Die vergessene DDR-Malerei“
Tausende Werke lagern in Kellern und Abstellräumen – Ein Forschungsprojekt spürt sie wieder auf
Welt online vom 20.07.2012: „Im Büro von Christian Heinisch an der Technischen Universität Dresden erhebt sich eine Regalwand voll bis unter die Decke mit Aktenordnern. Sie enthalten die Ergebnisse aus drei Jahren Arbeit zur Malerei in der DDR. Mehr als 20.000 Gemälde aus 167 Sammlungen sind bereits erfasst worden. 4.000 weitere sollen noch folgen.
„Wir sind anfangs gerade mal von der Hälfte ausgegangen“, sagt Heinisch, der einer der Leiter des Projekts „Bildatlas: Kunst aus der DDR“ an der TU Dresden ist. Gemeinsam mit den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, dem brandenburgischen Kunstarchiv Beeskow und dem Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam hat sich die TU das Ziel gesetzt, eine möglichst umfassende Dokumentation der Malerei aus der DDR zu erstellen. Zwölf Personen sind seit dem Jahr 2009 beschäftigt, Gemälde aus der DDR in Museen, privaten Sammlungen, Botschaften, Kirchen oder bei Unternehmen zu finden, abzufotografieren und zu katalogisieren.
Bisher, sagt Forschungskoordinator Paul Kaiser, habe sich das Wissen über die DDR-Kunst lediglich aus einem sehr kleinen Bestand rekrutiert. Mit der Erfassung soll nun erstmals ein umfassender Überblick über die Bildproduktion in der DDR möglich sein. Und Karl-Siegbert Rehberg, ebenfalls wissenschaftlicher Koordinator und Projektleiter, erklärt: „Selbst die Museen wissen nicht immer, was sie eigentlich in ihrem Fundus haben.“
Kunstbetrieb zeigt Interesse an Bildern aus der DDR
Der Grund: Nach 1989 gab es keine Sammler mehr für die Werke. Parteien und andere Massenorganisationen, auch viele Museen wollten plötzlich von der Kunst aus der Zeit des Sozialismus nichts mehr wissen. So verschwanden viele Gemälde aus der Zeit von 1949 bis 1990 in Kellern und Lagerräumen.
Heutzutage zeigen hingegen sowohl der Kunstbetrieb als auch die Wissenschaft ein verstärktes Interesse an der DDR-Malerei. „Wir haben auch viele Anfragen von Künstlern, die nach 1989 plötzlich nicht mehr wussten, wo ihre Bilder waren“, sagt Kaiser. Eine bereits fertiggestellte Onlinedatenbank, in der die Bilder zusammengefasst werden, soll eine wichtige Hilfe und Informationsquelle zum Auffinden verschollener Werke sein.
Doch nicht alle Künstler seien glücklich über das Projekt, fügt Rehberg hinzu. „Einige wollen am liebsten ihr Werk nicht mit der DDR in Verbindung gebracht wissen.“ Ein Beispiel sei etwa Neo Rauch und sein Bild „Die Kreuzung“ von 1984. Die Mehrzahl der Künstler sei aber froh, dass es die Dokumentation gebe. Genauso wie die meisten Museen, die jetzt erstmals wüssten, was an DDR-Kunst bei ihnen im Fundus lagert. Auf dieser Basis könnten künftig etwa neue Ausstellungen geplant werden, sagt Kaiser.
Zwei Buchpublikationen und mehrere Ausstellungen geplant
Das Projekt stellt die Mitarbeiter immer wieder vor neue Herausforderungen. Neben dem Arbeitsaufwand durch die schiere Menge gebe es etwa auch große Probleme mit den Nutzungsrechten der Bilder, sagt Rehberg. Es fehle schlicht das Geld, um alle Rechte abzugelten. „Dadurch können wir einen großen Teil der Bilder möglicherweise gar nicht zeigen.“ Es sei „geradezu skandalös“, dass es die Regierung nicht schaffe, Regelungen für Projekte zu finden, die der Wissenschaft dienen, sagt er weiter.“ weiterlesen
Sollte es nicht bekannt sein, daß die Gemäldegalerie Neue Meister Ende der achtziger Jahre einen Bestandskatalog mit Abbildungen herausgegeben hat? Daß die Malerei der DDR jetzt umfassend dokumentiert wird, das ist selbstverständlich erfreulich.
Der Kunstgeschichtsschreibung – und dem Bedürfnis der Galeriebesucher – wird man aber erst dann gerecht, wenn die Malerei der DDR wieder den ihr gebührenden Platz in den Schausammlungen erhält.
Wie die letzte Hängung der Gemäldegalerie Neue Meister von 1984 ausgesehen hat, das findet man im Galerietagebuch der GGNM. Es wird im Archiv der Staatlichen Kunstsammlungen verwahrt.Waltraut Schumann
alles natürlich DRESDEN