Eingelagerte DDR-Kunst: Der rote Pop aus dem Keller
Der größte Teil der in der DDR geschaffenen Kunstwerke lagert in Depots. Lange standen sie kollektiv unter Ideologieverdacht. Er seit Kurzem gehen Museen, Forscher und Archive entspannter damit um.
taz.de vom 9.12.2011: „Die Damen aus Biesdorf waren auf der Pirsch. Nach Schönem. Sie suchten Kunst für ihr geplantes Museum. Gleich mit drei Kolleginnen aus dem Rathaus Marzahn-Hellersdorf erschien die Kunst- und Kulturamtsleiterin Heike Meves zur Tagung „Bildatlas. Kunst in der DDR“ in Potsdam. Veranstalter waren das Zentrum für Zeithistorische Forschung (ZZF) und das Bundesbildungsministeriums (BMBF).
Die Sammlungsbestände aus den Zeiten des sozialistischen Realismus, die heute in Depots in Berlin und Brandenburg schlummern und über deren Zukunft Ende November Kuratoren und Historiker in Potsdam stritten, interessierten die vier Frauen schwer. Denn in der kommenden Woche berät der Bezirk Marzahn-Hellersdorf über den Umbau des Schlosses Biesdorf zur neuen Kunstgalerie. 7,5 Millionen Euro vom Land Berlin und der EU hat Heike Meves für den Umbau sicher. Ab dem Jahr 2015 sollen im Schloss Gemälde, Grafiken oder Skulpturen aus DDR-Zeiten präsentiert werden.
Fast 1.000 Quadratmeter Fläche sind vorgesehen für die Werke ostdeutscher bildender Künstler aus der Kunstsammlung „Kunstarchiv Burg Beeskow“, das gleich hinter der östlichen Berliner Stadtgrenze liegt. Beeskow ist die ungeliebte Schatzkammer der DDR-Kunst: 25.000 Kunstwerke werden seit der Wiedervereinigung hier aufbewahrt. Viel roter Ramsch und gute Gemälde sind darunter. Sie hingen einst in öffentlichen Ostberliner und Brandenburger Institutionen: in Museen, Galerien, Kombinaten, Rathäusern, Ministerien – und auch bei Stasichef Erich Mielke.
Schloss Biesdorf wäre das erste deutsche Museum, das programmatisch Kunst aus der ehemaligen DDR ausstellt und deren Rezeption thematisiert. „DDR-Reha“ und „Loriot-Museum“ spotteten Kritiker, als das Projekt publik wurde. Kunstamtsleiterin Meves lässt das nicht kalt. Es gehe um eine „kritische Auseinandersetzung“ mit der offiziellen Kunstdoktrin aus den Zeiten des heroischen Arbeiterbildes – nicht um eine ideologische Revision und Relativierung des Sozialismus, sagt sie. Der Titel „Bilderstreit“ für das Biesdorfer Ausstellungskonzept unterstreiche den Anspruch der Aufklärung – nicht den der Verklärung.
Es ist bis dato für Kunsthistoriker und Museumsleute schwer, Bilder aus der DDR vom Ballast negativer ideologischer Festschreibungen zu lösen. DDR-Kunst ist und bleibt Feindbild. „Sie ist aktuell kein Aspekt des Vergangenheitsdenkens“, wie Martin Sabrow, Direktor des ZZF, zu Beginn des Kolloquiums erläuterte. Gleichwohl es unterschiedliche Sujets, Stile, Schulen oder Akademien gab – die Kunstproduzenten aus der DDR, egal ob sie Bernhard Heisig oder Werner Tübke hießen, stehen weiterhin unter Generalverdacht der Staatskunst, Antimoderne und Propaganda. Der rote Pop sei gar keine Kunst, „es gab keine Malerei in der DDR“, ätzte einmal der Maler Georg Baselitz. So, als herrsche weiter Kalter Krieg.
Wie hartnäckig sich das bittere Ost-Image hält, war jüngst in der Wochenzeitung Die Zeit zu lesen. Für den Kritiker Hanno Rauterberg ist es schlicht ein Unding, dass der „Weltkünstler“ Alberto Giacometti neben dem DDR-Apparatschik Willi Sitte in der aktuellen Schau der Neuen Nationalgalerie gezeigt wird.
Der Streit über die Rolle und Qualität der DDR-Kunst hat dazu beigetragen, dass auch die Sicht auf die vielen Sammlungen in den Depots und Museumsarchiven „unterbelichtet geblieben ist“, wie Jürgen Danyel, Historiker am ZZF Potsdam, betonte. Über deren Geschichte und Gegenwart liege ein Schleier. Ihre Bedeutung vor, im und nach dem Vereinigungsprozess 1989/90 harre der Aufarbeitung. Ob der „DDR-Bildatlas“, in dem bis 2012 in Form einer Datenbank alle Sammlungen, Bestände und deren Provenienz aufgelistet sein sollen, „eine Wandlung bringt am östlichen Kunsthimmel“, wollte Danyel nicht prophezeien. Es herrscht das Prinzip Hoffnung. Das hat Gründe: Denn was zu dem Thema in den Kellern der Nationalgalerie, dem Deutschen Historischen Museum (DHM), dem Stadtmuseum sowie Berliner Wirtschaftsunternehmen und Sondereinrichtungen liegt, ist nicht wirklich transparent.“ weiterlesen