Rez.: Angelika Weißbach: Frühstück im Freien – Freiräume im offiziellen Kunstbetrieb der DDR. Die Ausstellungen und Aktionen im Leonhardi-Museum in Dresden 1963-1990
Rezensiert von Sigrid Hofer
Angelika Weißbachs Monografie zum Leonhardi-Museum in Dresden schließt eine längst fällige Forschungslücke. Im Kunstsystem der DDR kam diesem Ausstellungshaus, gleichwohl es institutionell zunächst dem Staatlichen Künstlerverband und später der Stadtverwaltung unterstand, eine herausragende Bedeutung als Ort gegenkultureller Initiativen zu.
Nach dem Fall der Mauer wurde die Kunst in der DDR vor dem Hintergrund einer doktrinär verordneten Staatskunst diskutiert. Staatskünstler schienen einem autonomen Künstlertum gegenüber zu stehen, das offizielle Aufträge ebenso verweigerte wie die Einhaltung einer vorgegebenen Formensprache. Diese Einschätzung ist inzwischen einer differenzierteren Sichtweise gewichen. Wie ambivalent das Kunstsystem jedoch funktionierte und wie wenig Fallbeispiele dazu geeignet sind, verallgemeinert werden zu dürfen, haben diverse Untersuchungen hinlänglich offen gelegt. Das Kräfteverhältnis, in dem sich Kunst und Staat begegneten, oder auch die Produktions- und Rezeptionsbedingungen von Kunst können nur im jeweiligen Einzelfall geklärt und bewertet werden, denn weder fügten sich die so genannten Geltungskünste (Karl-Siegbert Rehberg) in allen Fällen den staatlichen Vorgaben allzu beflissentlich, noch konnten sich dissidente Strömungen den Spielregeln der Kunstförderung völlig entziehen.
Vor diesem Hintergrund liefert Weißbachs Dissertation einen wichtigen Beitrag zu Fragen nach den kulturellen Freiräumen in der DDR, denn ihre Studie zum Ausstellungsprogramm des Leonhardi-Museums in Dresden offenbart einmal mehr, dass unangepasste, kritische Positionen nicht nur einem Insiderkreis zugänglich waren, sondern selbst in offizielle Institutionen Einzug hielten.
Die Autorin hat für ihre Untersuchung eine streng chronologische Vorgehensweise gewählt, die sich an den Dezennien orientiert und eine Ausstellungsübersicht erarbeitet. Zur Kernerarbeit, die hier nicht gescheut wurde und die notwendig war, da das Leonhardi-Museum über kein Archiv verfügt, gehört die sehr ertragreich zu nennende Sichtung und Zusammenstellung des weit verstreuten Quellenmaterials. Erst diese Sammlung erlaubte es Angelia Weißbach die einzelnen Ausstellungen zu rekonstruieren und die Namen der Akteure, der Künstler wie der Organisatoren sowie die ausgestellten Werke zu benennen und kurz zu charakterisieren. Biografische Notizen sind hinzugefügt, Hinweise auf Pressestimmen bzw. auf Bewertungen durch die Funktionäre fanden je nach Befundlage Erwähnung. Die Besprechung der einzelnen Ausstellungen folgte damit einem mehr oder weniger festgefügten Schema, das Modifikationen gemäß dem Überlieferungsstand berücksichtigte. Eine umfangreiche Quellensammlung ist auf diese Weise entstanden, die entlegenes Schrifttum erschließt und für weitere Forschungen zur Verfügung stellt.
Weißbachs detaillierte Nachforschungen zum Ausstellungsprogramm des Leonhardi-Museums wurden in einen größeren kulturpolitischen Kontext gestellt, der, ebenfalls chronologisch aufbereitet, zusammenfassende Überblicke formulierte, die offizielle Doktrin umriss und zeitgleich veranstaltete Schauen einbezog. Als kontrastierende Folie wurden immer wieder die Deutschen Kunstausstellungen in Dresden beschrieben. Diese hatten seit 1946 offiziellen Charakter: als eine Art Leitungsschau sollten sie über einen langen Zeitraum die Aufgabe erfüllen, den Fortschritt des sozialistischen Realismus in der DDR-Kunst unter Beweis zu stellen, doch öffneten sie sich, bedingt durch die fortschreitende Liberalisierung (mit der Partei und Staat dem Kunstgeschehen vor allem seit den 1970er-Jahren begegneten) zunehmend avantgardistischen Ausdrucksformen. weiterlesen