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Glossar

Formalismus

Bereits im Dezember 1945 warf Hermann W. Kubsch dem Maler Wilhelm Lachnit vor, dass „der größte Teil seiner Bilder im Formalistischen bleibt“. Der "Kampf gegen den Formalismus“ war der Versuch, unter dem Vorwand, Kunst müsse dem Volke dienen, sie gänzlich den Forderungen der Sozialistischen Einheitspartei zu unterwerfen. „Formalismus bedeutet Zersetzung und Zerstörung der Kunst selbst. Die Formalisten leugnen, dass die entscheidende Bedeutung im Inhalt, in der Idee, im Gedanken des Werkes liegt. Nach ihrer Auffassung besteht die Bedeutung eines Kunstwerkes nicht in seinem Inhalt, sondern in seiner Form. Überall, wo die Frage der Form selbständige Bedeutung gewinnt, verliert die Kunst ihren humanistischen und demokratischen Charakter.“ („Der Kampf gegen den Formalismus in der Kunst und Literatur, für eine fortschrittliche deutsche Kultur“, Entschließung des ZK der SED). ln der Folge des ‚Formalismus‘ galt der ‚Kosmopolitismus‘ als Feind. Als „Beispiele des Formalismus“ wurde „in der Malerei (...) das Wandgemälde von Horst Strempel im Bahnhof Friedrichstraße in Berlin“ genannt, dessen „dort gemalten Personen fehlten die charakteristischen Merkmale unserer besten, der Sache des Fortschritts treu ergebenen Menschen; sie waren dazu noch unförmig proportioniert und wirkten abstoßend“. Weiter hieß es in der ZK-Verlautbarung: „Auch in den Arbeiten von Max Lingner treten Züge des Formalismus in Erscheinung, so zum Beispiel im Umschlag des Volkskalenders für das Jahr 1951.“ Pauschal galt der Angriff auf dem Gebiet der bildenden Kunst „vielen, zum Teil befähigten Künstlern“ und „einer ganzen Reihe von Dozenten an Kunsthoch-und Fachschulen, die die Studierenden formalistisch ausbilden“. Namentlich angegriffen wurden von N. Orlow (Pseudonym für Wladimir Semjonowitsch Semjonow, zu der Zeit Politischer Berater des Vorsitzenden der Sowjetischen Kontrollkommission in Deutschland, 1911-1992) 1951 die Weißenseer Hochschullehrer Arno Mohr, Horst Strempel und Herbert Behrens-Hangeler. Im Februar 1951 wurde Strempels Wandbild in der Schalterhalle des Bahnhofs Friedrichstraße übermalt. Die Staatliche Kommission für Kunstangelegenheiten sollte anleitend für die künftigen Aufgaben wirken. Die Herausgabe eines „Publikationsorgans“ (Bildende Kunst) sollte die „Diskussion über die Weiterentwicklung der Malerei, Bildhauerei und Architektur“ fördern. Die „Diskussion“ führte zu Selbstbezichtigungen wie im Fall von Hermann Bruse (1904-1953), der sogar seinen Hungermarsch, 1945/46, einer „kritischen Betrachtung“ nicht mehr für wert hielt. Der Aufstand des 17. Juni 1953 führte zum Ende der unheilvollen Wirkungsmöglichkeit der Staatlichen Kommission für Kunstangelegenheiten, in deren Verantwortung auch die III. Deutsche Kunstausstellung Dresden 1953 (Kunstausstellung) gestanden hatte. Gebraucht wurde meist das Wortpaar „Formalismus und Kosmopolitismus“, gerichtet gegen die „dekadente“ europäische bürgerliche Kunst der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts insgesamt und vor allem auch gegen die amerikanische Kunst der Gegenwart. Dem Verdikt des „Formalismus“ war auch das Bauhaus ausgesetzt. Zwar tauchte in den 60er Jahren der Begriff des „Formalismus“ seltener auf. Aber in der verstärkten Forderung, Werke des Sozialistischen Realismus zu schaffen, war der Kampf gegen den „Formalismus“ weiterhin enthalten.

aus: Hartmut Pätzke: Von "Auftragskunst" bis "Zentrum für Kunstausstellungen". Lexikon zur Kunst und Kunstpolitik in der DDR. In: Eugen Blume, Roland März (Hrsg.): Kunst in der DDR. Eine Retrospektive der Nationalgalerie. Berlin 2003, S. 318f.

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