Schaffens(t)räume. Atelierbilder und Künstlermythen in der ostdeutschen Kunst
Kunstssammlung Gera/ Orangerie, Orangerieplatz 1, 07548 Gera
20. Oktober 2012 – 03. Februar 2013
Die Ausstellung vereint 90 Gemälde von 76 Künstlern. Sie widmet sich in fünf Themenbereichen dem spezifischen Spannungssystem von Künstlerrolle und Künstlerort am Beispiel der in der DDR entstandenen Malerei, ergänzt um einen Exkurs zeitgenössischer Werke. Leihgaben kamen aus zahlreichen Museen, privaten Leihgebern sowie von beteiligten Künstlern.
Wissenschaftlich begleitet und unterstützt wurde die Schau vom Verbundprojekt „Bildatlas: Kunst in der DDR“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung sowie dem Dresdner Institut für Kulturstudien e.V.. Sie entstand zudem in enger Kooperation mit den von der Klassik Stiftung Weimar und dem Angermuseum Erfurt organisierten Projekten „Abschied von Ikarus. Bildwelten in der DDR – neu gesehen“ (19.10.2012 bis 03.02.2013) und „Tischgespräch mit Luther. Christliche Bilder in einer atheistischen Welt“ (21.10.2012 bis 20.01.2013). „Dadurch wurde es möglich, zeitgleich zur zentralen Präsentation in Weimar in zwei weiteren Ausstellungsorten in Thüringen themenspezifische Einzelaspekte zur Kunst in der DDR vorzustellen“, sagte der Leiter der Kunstsammlung Gera, Holger Peter Saupe. Für die Besucher eröffne sich damit die Möglichkeit zur Neuentdeckung und Wiederbegegnung mit bekannten, aber auch weniger bekannten Bildern. Sie wolle zur intensiven Auseinandersetzung und Neubewertung anregen und im historischen Rückblick das Verständnis für die Situation der Künstler und die Kunst in der DDR weiten.
Das Atelier sei in der Moderne weit mehr als Werkstatt und Lebensraum des bildenden Künstlers. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts diene es zugleich als Schutzraum künstlerischen Schaffens wie des Marktzugangs und werde somit zum metaphorischen Ort künstlerischer Autonomie. Die 90 ausgewählten Arbeiten verdeutlichen, dass im staatssozialistischen Kunstsystem die Produktion von Künstlermythen auf besondere Weise mit der bildnerischen Kraft des Atelierbildes verknüpft wurde. Die Spanne reicht dabei von den privilegierten Ateliers und Werkstätten führender DDR-„Hofkünstler“ bis hin zu den kargen Wohnzimmerateliers und Hinterhof-Ausstellungen einer ostdeutschen Boheme. Anhand der Atelierbilder lassen sich die Situation sowie das Selbst- und Rollenverständnis der Künstler nachvollziehen. So wird in der Ausstellung die Ausprägung konkurrierender Künstlerrollen in der DDR an wesentlichen Werken verdeutlicht. Der Konflikt zwischen einer vom Sozialistischen Realismus geprägten „DDR-Kunst“ und einer sich von den Normzwängen in zahlreichen Konflikten emanzipierenden „Kunst in der DDR“ zeigt sich ebenso an den bildnerischen Selbstinszenierungen der Künstler wie in der künstlerischen Thematisierung und sozialen Funktionalität der Ateliers zwischen Fluchtort und Repräsentationsraum.
Der begleitende Katalog dokumentiert die formative Sonderrolle des Ateliers für die Erweiterung der Kunsträume in der DDR. Ein Atelier war bildenden Künstlern nach Studienabschluss und Aufnahme in den Künstlerverband (VBK) zugesichert. Auf dieser Grundlage erwiesen sich die Arbeitsräume der Künstler zunächst als Refugium und Rückzugsort, bevor sie in den 1970er und 1980er Jahren als „Basislager“ und „Trafo-Station“ für die Etablierung künstlerischer Alternativen und experimenteller Kunstformen wichtig wurden. In der Ausstellung sollen Kontinuitäten und Brüche in der Etablierungsgeschichte der modernen Künstlerrolle im Kunstsystem DDR sichtbar gemacht werden. Darüber hinaus erfolgt die historische Einordnung auch durch die Thematisierung von Traditionen und Rückgriffen ostdeutscher Künstler auf die Inkunabeln der Moderne.
Fünf thematische Bereiche ordnen und strukturieren das Ausstellungsprojekt und tragen dem Wandel der Kunstbedingungen und kulturpolitischen Verhältnisse Rechnung. Behandelt werden zentrale Aspekte wie Künstler(selbst)bildnisse („Der unbestechliche Blick“) und Atelierbilder („Lebensgehäuse und Inszenierungsraum“). Daneben stehen die Bedeutung des Ateliers als sozialer Sonderraum für die Etablierung von Künstlergemeinschaften („Allein unter Freunden“) und unabhängiger Ausstellungspraxis („Selbstorganisation und Raumgewinn“) im Fokus. Das Darstellen der vielfältigen Überschreitungen und Ausbrüche („Ins Offene!“), die zunehmende Auflösung des Ateliers als zentraler Schaffensraum und Eroberung öffentlicher Kunsträume durch Aktionskunst bis hin zur Belebung gegenstaatlicher Kunstquartiere bleiben weitestgehend dem Katalog vorbehalten. Exemplarisch für das Verlassen des Innenraum-Ateliers steht in der Ausstellung die Fotodokumentation Gekreuzigte Landschaft, des in Reichardtsdorf bei Gera geborenen Bildhauers Wolfgang Kuhle. weiterlesen
weitere Informationen
Presse: